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Erfolgsmessung im Marketing - Folge 12: Die Direktbefragung (Teil 1)

Das Wort Direktbefragung bezeichnet eine Käuferbefragung mit dem Ziel, Daten für die Erfolgsmessung zu erheben.

Eine Direktbefragung ist wegen dieses Ziels nur hilfreich, wenn Sie davon ausgehen können, dass Sie von den Befragungsteilnehmern so gut wie immer korrekte Antworten erhalten werden. Hierzu müssen die weitaus meisten Befragungsteilnehmer Ihre Fragen richtig verstehen, über die erforderliche Sachkenntnis verfügen und bereit sein, wahrheitsgemäß zu antworten.

Ich beschäftige mich in diesem Beitrag mit den Grundanforderungen an eine Direktbefragung. Hierbei interessiert vor allem, welche Arten von Fragen für eine Direktbefragung geeignet sind und welche nicht.

Vollerhebung oder Stichprobe?

Für eine Direktbefragung müssen Sie festlegen, für welche Käufer die zu erhebenden Daten gelten sollen. Die Gruppe dieser Käufer bildet die Grundgesamtheit.

Im Idealfall befragen Sie alle zur Grundgesamtheit gehörenden Käufer (Vollerhebung). Dies geht häufig im Business-to-Business-Geschäft. Ein Beispiel wäre ein Unternehmen, das Spezialmaschinen herstellt, für die nur wenige Industrieunternehmen als Käufer infrage kommen. In diesem Fall wäre die aus den potenziellen Kunden bestehende Grundgesamtheit sehr klein.

Für relativ große Grundgesamtheiten kann eine Vollerhebung oder eine Befragung, die einer Vollerhebung zumindest nahekommt zu aufwändig sein. In derartigen Fällen müssen Sie sich mit einer Stichprobe begnügen.

Das wesentliche Merkmal einer Stichprobe ist die zufällige Auswahl, die sicherstellen soll, dass die für die Stichprobe erhaltenen Ergebnisse auch für die Grundgesamtheit gelten. Mit einer Stichprobe versuchen Sie demnach, von einem Teil auf das Ganze (die Grundgesamtheit) zu schließen. Ich habe mich hiermit im Zusammenhang mit A/B-Tests beschäftigt.

Die Ziehung einer Stichprobe setzt immer voraus, dass Sie die Grundgesamtheit kennen und dass jedes Element der Grundgesamtheit die gleiche Chance hat, für die Stichprobe ausgewählt zu werden.

Eine Stichprobe für eine Direktbefragung sollte möglichst groß sein. Außerdem sollten Sie eine möglichst hohe Ausschöpfungsquote anstreben.

Wenn Sie zum Beispiel eine Stichprobe der Länge 1.000 ziehen und von diesen 1.000 Käufern nur 500 Ihre Fragen vollständig beantworten, so beträgt Ihre Ausschöpfungsquote 50 Prozent. Ihre auf Basis der Stichprobe erhaltenen Ergebnisse wären dann verzerrt.

Nach einer groben Faustregel sollte die Ausschöpfungsquote mindestens 70 Prozent betragen (Ludwig Berekoven / Werner Eckert / Peter Ellenrieder: Marktforschung, 12. Auflage, Wiesbaden, 2009, Seite 116).

Standardisierte Interviews

Eine Direktbefragung erfolgt in Form von standardisierten Interviews, je nach Zweckmäßigkeit telefonisch, schriftlich und/oder persönlich (face to face).

Standardisierte Interviews liegen vor, wenn sämtliche Interviews auf einem einheitlichen Fragebogen basieren (Wortlaut, Reihenfolge und Zahl der Fragen fest vorgegeben) und sämtliche Interviews auf einheitliche Weise geführt werden (Verhalten der Interviewer, soweit machbar, immer gleich).

Die Standardisierung dient dazu, die Antworten auf eine bestimmte Frage miteinander vergleichbar zu machen.

Beispiel:

Sie fragen nach einem bestimmten Sachverhalt, verzichten dabei jedoch auf eine Standardisierung. Teilnehmer X und Y geben unterschiedliche Antworten. Worauf könnten die unterschiedlichen Antworten zurückzuführen sein?

  • Erste Möglichkeit: X und Y haben unterschiedliche Antworten gegeben, weil Sie Ihre Frage auf unterschiedliche Weise gestellt haben
  • Zweite Möglichkeit: X und Y haben unterschiedliche Antworten gegeben, weil beide den Sachverhalt unterschiedlich bewerten

Ohne Standardisierung können Sie nicht wissen, welche der beiden Möglichkeiten zutrifft. Somit können Sie die Antworten der Teilnehmer X und Y nicht sinnvoll vergleichen, weil unklar ist, was sie messen. Messen Sie, wie unterschiedliche Formulierungen Ihrer Frage das Antwortverhalten beeinflussen (erste Möglichkeit), wie die Befragungsteilnehmer einen bestimmten Sachverhalt einschätzen (zweite Möglichkeit) oder beides?

Durch Standardisierung schließen Sie die erste Möglichkeit aus. Standardisierte Interviews sind daher eine sehr wichtige Voraussetzung für zuverlässige Ergebnisse.

Standardisierte Fragebögen erlauben häufig nur fest vorgegebene Antwortmöglichkeiten, was im Hinblick auf die spätere Auswertung grundsätzlich sinnvoll ist, aber zu verzerrten Ergebnissen führen kann. Stellen Sie sich vor, Sie dürfen bei einer Frage nur eine von fünf Antwortmöglichkeiten ankreuzen, die Sie alle für mehr oder weniger unzutreffend halten.

Alle Befragungsteilnehmer müssen so antworten können, wie sie es für richtig halten.

Einfache Fragen

Alle Fragen müssen leicht verständlich und eindeutig sein. Erforderlich sind einfache Wörter und einfache Sätze, die jeder Befragungsteilnehmer sofort versteht.

Sie müssen konkrete Fragen stellen. Zum Beispiel wäre die Frage »Halten Sie den Preis unseres Produkts für angemessen?« ungeeignet, weil die Befragungsteilnehmer nicht wissen können, was Sie unter einem angemessenen Preis verstehen und woran man merkt, ob der Preis angemessen ist oder nicht.

Schlecht sind Fragen, die aus mehreren Teilfragen bestehen. So zielt zum Beispiel eine Frage nach einem Prozentwert auf zwei Größen, die miteinander in Beziehung gesetzt werden sollen. Besser wären daher eine Frage nach der ersten Größe und eine weitere Frage nach der zweiten Größe. Die Prozentwerte könnten Sie dann selber berechnen.

Inakzeptabel sind hypothetische Fragen. Mit der Frage »Hätten Sie das Produkt auch gekauft, wenn Sie kein Sonderangebot erhalten hätten?« fordern Sie die Befragungsteilnehmer auf, ihrer Phantasie freien Lauf zu lassen. Alle Fragen sollten sich auf reale Situationen beziehen.

Fragen zu Handlungsabsichten sind ebenfalls schlecht, weil Menschen ihre Pläne häufig ändern und Absichtsbekundungen nicht immer ernst nehmen.

Retrospektive Fragen (beziehen sich auf die Vergangenheit) sind nur akzeptabel, wenn die Befragungsteilnehmer den interessierenden Sachverhalt erfahrungsgemäß korrekt aus ihrem Gedächtnis abrufen können. Akzeptabel wäre zum Beispiel die Frage, welche Berufsausbildung ein Befragungsteilnehmer absolviert hat.

Fragen nach den Gründen von Handlungen können zu schwer sein. »Wie sind Sie auf die Idee gekommen, unser Produkt zu kaufen?« macht nur Sinn, wenn ein Befragungsteilnehmer einen einfachen Grund angeben kann und hiermit höchstwahrscheinlich richtig liegt.

Beispiel:

In deutschen Zeitungen werden seit vielen Jahren PR-Artikel über Urlaub im Bayrischen Wald publiziert. Die meisten Leute lesen diese Artikel nicht, registrieren aber die Überschriften und Bilder, nach denen der Bayrische Wald ein interessantes Urlaubsgebiet sein könnte.

Die an Neukunden eines Hotels gerichtete Frage »Wie sind Sie auf die Idee gekommen, hier im Bayrischen Wald Urlaub zu machen?« wäre unter diesen Umständen sinnlos, weil Sie mit falschen Antworten rechnen müssten.

Das Problem ist die unterschwellige Wirkung von PR. Viele Touristen, die durch PR-Artikel auf den Bayrischen Wald aufmerksam geworden sind, werden andere Gründe nennen, weil sie sich nicht an die PR-Artikel erinnern oder die PR-Artikel für bedeutungslos halten.

Verzicht auf Manipulation

Der Interviewer könnte aufgrund seines Verhaltens, seiner Fragen oder seiner Position den Eindruck erwecken, dass ihm oder ihr bestimmte Antworten besser gefallen als andere. Die Befragungsergebnisse wären dann verzerrt.

Das Verhalten des Interviewers muss demnach neutral sein. Der Interviewer muss alle Antwortmöglichkeiten akzeptieren und auf Beeinflussungsversuche verzichten. Ein Befragungsteilnehmer muss immer den Eindruck haben, dass ehrliche Antworten gefragt sind.

Die meisten Leute sagen lieber ja als nein. Somit wäre die Frage »Haben Sie unser Produkt gekauft?« ungünstig. Deutlich besser wäre »Haben Sie unser Produkt gekauft oder nicht?«, weil beide Antwortmöglichkeiten in der Frage vorkommen.

Viele Interviewteilnehmer berücksichtigen, was ihrer Ansicht nach von ihnen erwartet wird. Wenn Sie fragen »Haben Sie unser Produkt gekauft oder nicht?« hören Sie vermutlich eine positive Antwort lieber als eine negative. Ein Interviewteilnehmer könnte daher geneigt sein, Ihnen nach dem Mund zu reden. Somit muss klar sein, dass Sie Ehrlichkeit zu schätzen wissen.

Der Interviewer sollte jedem Teilnehmer das Gefühl geben, bei Bedarf in Ruhe nachdenken zu können. Dies ist wichtig, weil spontane Antworten häufig falsch sind.

Sie werden zum Beispiel mit einer Frage konfrontiert, die Sie zwar korrekt beantworten können, über die Sie sich bislang aber noch keine Gedanken gemacht haben. Für eine korrekte Antwort müssten Sie daher zunächst etwas überlegen.

Der Interviewer kann Sie demnach durch den Aufbau von Zeitdruck zu einer falschen Antwort verleiten, zum Beispiel zu einer, die gängigen Vorurteilen entspricht.

Verzicht auf unangenehme Fragen

Wenn Sie unangenehme Fragen stellen, müssen Sie nicht nur mit einer hohen Zahl von Antwortverweigerern rechnen, sondern auch mit falschen Angaben. Auf unangenehme Fragen sollten Sie daher verzichten.

Unangenehm sind zum Beispiel Fragen nach der aktuellen Eigenkapitalrendite eines Geschäftsbereichs oder Fragen nach der Zahlungsbereitschaft für bestimmte Leistungen. Unangenehm deshalb, weil eine ehrliche Antwort auf diese Fragen unklug wäre.

Unangenehm sind auch Fragen nach Sachverhalten, über die der betreffende Interviewteilnehmer nur unzureichend informiert ist. Viele Leute geben in derartigen Fällen lieber falsche Antworten als ihre fehlenden Kenntnisse einzuräumen.