Zielgruppe: Marketer von Technologieprodukten, Konsumgütern und Dienstleistungen
Schwerpunkte: Konzept, Text, Layout und Verwertung von White Papers, Fallstudien als Sonderform
Learnings: Umfassende Kenntnisse für die Werbung mit White Papers und Fallstudien
2. Ausgabe vom 4. Februar 2014
Verfasser: Dr. Rainer Hastedt
Bezugsquelle: www.ghostwriting-service.de
E-Mail-Adresse: hastedt@dr-hastedt.de
Der Begriff »Fallstudie« steht in der Werbung für eine Erfolgsgeschichte - was ein bestimmter Kunde mit dem beworbenen Produkt erreicht hat und wie es dazu gekommen ist.
Es gibt verschiedene Arten von Fallstudien, unter anderem:
Ich beschäftige mich in den folgenden Abschnitten mit einer anderen Art von Fallstudien: mit White Papers in der Form von Erfolgsgeschichten.
Eine Fallstudie der von mir behandelten Art ist demnach ein Werbetext, der den Lesern als Ratgeber dienen soll und hierzu praxisorientierte Informationen bietet - über eine für potenzielle Kunden bedeutsame Aufgabe, Herausforderung oder Geschäftsentscheidung.
Eine solche Fallstudie erfüllt die gleichen Kriterien wie ein White Paper:
White Papers in der Form von Erfolgsgeschichten werden gewöhnlich als Fallstudien bezeichnet - und nicht als White Papers, weil sich die Sonderform »Erfolgsgeschichte« sehr stark von der anderen Form unterscheidet:
Ich verwende das Wort »Fallstudie« als Bezeichnung für eine bestimmte Textsorte (Fallstudie = White Paper in der Form einer Erfolgsgeschichte).
Trotzdem kann es sinnvoll sein, den Lesern eine Fallstudie zum Beispiel als »Fachartikel«, »White Paper« oder »Erfahrungsbericht« zu präsentieren.
Ich beschreibe im nächsten Abschnitt den Aufbau des von mir behandelten Fallstudien-Typs und beschäftige mich danach mit den Vorteilen dieser Werbeform. Hierbei wird sich zeigen, dass Fallstudien für bestimmte Kommunikationsaufgaben besser geeignet sind als White Papers.
Weitere Punkte, auf die ich ausführlich eingehen werde, sind Interviews für Fallstudien, die Textgestaltung und das Layout von Fallstudien.
Fallstudien sind Erfolgsgeschichten. Eine Fallstudie schildert daher, wie ein Kunde mit Hilfe des Produkts ein Problem gelöst hat. Hierdurch werden drei Punkte abgedeckt:
Das Produkt kann dabei auch eine Dienstleistung sein oder ein Bündel aus Sachgütern und Dienstleistungen, zum Beispiel eine Maschine mit Zubehör und umfangreichem Vor-Ort-Service.
Die Grundstruktur des von mir behandelten Fallstudien-Typs umfasst insgesamt neun Punkte, die ich alle erläutern werde:
1. Vorspann
Der Vorspann ist von überragender Bedeutung, weil bei einer Fallstudie die Gefahr besonders groß ist, dass sie von vielen Lesern zwar gedownloadet, aber nicht gelesen wird.
Hierzu ein Beispiel:
Sie wollen CIOs und IT-Verantwortliche aus Großunternehmen erreichen. Wichtig zu wissen ist daher, wie solche Leser über Fallstudien denken.
Nach dem Blog von CreateYourNextCustomer.com (Eintrag vom 11. März 2009) ergibt sich die folgende Einschätzung:
Ein CIO, der Ihre Fallstudie sieht, registriert sofort, dass es hier um Unternehmen X geht. Unternehmen X hat demnach Ihr Produkt verwendet und ist mit Ihrem Produkt zufrieden.
Dies ist für den CIO eine wichtige Erkenntnis.
Hierfür braucht der CIO Ihre Fallstudie jedoch nicht zu lesen. Somit lautet die Frage: Warum soll sich der CIO die Fallstudie genauer ansehen?
Der CIO hat selber an Fallstudien mitgewirkt (als Interviewpartner) und weiß, dass Fallstudien immer ein Happy End haben und in der Regel geschönt sind, also nicht mit der Realität verwechselt werden sollten.
Die in der Fallstudie erzählte Erfolgsgeschichte ist daher für den CIO belanglos.
Für den CIO wird Ihre Fallstudie lesenswert, wenn er hieraus etwas lernen kann, das ihm bei seinen Kaufentscheidungen hilft.
Die Fallstudie muss daher mehr sein als nur eine Erfolgsgeschichte. Die Fallstudie muss mit Informationen angereichert sein, die das Dokument zu einem Ratgeber machen.
Der Vorspann hat aus diesem Grund die Aufgabe, in wenigen Sätzen den Wert der Fallstudie zu verdeutlichen. Der CIO muss sofort erkennen, dass sich die Lektüre Ihrer Fallstudie lohnt.
Für die Gestaltung des Vorspanns gibt es verschiedene Möglichkeiten. Denkbar wäre zum Beispiel eine auffällige Textbox am Anfang des Dokuments, in der kurz darauf hingewiesen wird, was man aus den Erfahrungen des Kunden lernen kann.
2. Kurzvorstellung des Kunden
Eine Fallstudie sollte in knapper Form darüber informieren, um wen es geht - Name des Kunden, Branche, Größe, Besonderheiten.
Aus Lesersicht stellt sich die Frage, ob die in der Fallstudie geschilderten Erfahrungen auf die eigene Situation übertragbar sind. Ein Leser wird diese Frage gewöhnlich nur bejahen, wenn er Gemeinsamkeiten findet, zum Beispiel wenn sein Arbeitgeber in der gleichen Branche tätig ist wie das in der Fallstudie behandelte Unternehmen.
Die Kurzvorstellung muss den Lesern ermöglichen, solche Gemeinsamkeiten zu entdecken. Zum Beispiel kann eine Fallstudie über ein Großunternehmen auch für Leser aus wesentlich kleineren Unternehmen interessant sein, weil die Unternehmenseinheit, auf die sich die Fallstudie bezieht, ähnlich geführt wird wie ein eigenständiges Unternehmen.
Meine Ausführungen beziehen sich nur auf Fallstudien über Unternehmen.
Fallstudien über Projekte von Non-Profit-Organisationen, mit denen die Spendenbereitschaft der Leser erhöht werden soll, sind ein Thema für sich. Näheres dazu finden Sie unter anderem mit meiner Linkliste (www.ghostwriting-service.de/links.php).
3. Die Herausforderung (das Problem)
In einer Fallstudie geht es um die erfolgreiche Lösung eines Kundenproblems. Der Kunde legt hierbei zwei Etappen zurück:
Die erste Etappe besteht aus fünf Phasen:
Die fünf Phasen habe ich im Kapitel »White Papers als Werbemittel« erläutert (Abschnitt »White Papers strategisch gesehen«).
Die Herausforderung (das Problem) bildet den Ausgangspunkt der Erfolgsgeschichte. Die Herausforderung hat den Kunden zum Handeln motiviert.
Wenn Sie ein Problem erkannt haben, heißt dies noch lange nicht, dass Sie sich um eine Lösung bemühen. Möglicherweise halten Sie das Problem für unwichtig oder ignorieren das Problem, weil nach Ihrer Kenntnis auch andere damit leben können.
In eine Fallstudie gehören daher zwei Arten von Informationen über das Kundenproblem:
Darüber hinaus kann eine Einordnung des Problems erforderlich sein, abhängig vom Thema und dem Kenntnisstand der Leser, die Sie mit der Fallstudie erreichen wollen:
In welchem Gesamtzusammenhang ist das Problem zu sehen? Ergeben sich aus dem Gesamtzusammenhang weitere Gründe, aus denen die Problemlösung eine hohe Priorität haben sollte?
4. Wie der Kunde auf das Produkt gekommen ist
Hier geht es um die Phasen zwei bis fünf der ersten Etappe (nach Lösungsansätzen suchen, einen Lösungsansatz wählen, Angebote einholen, sich für ein Angebot entscheiden).
Somit interessieren vier Fragen:
Bedeutsam ist manchmal auch die Vorgeschichte der Kaufentscheidung. Möglicherweise versuchte der Kunde zunächst etwas Anderes, das sich aber als unzureichend erwies.
Der Wert einer Fallstudie kann, abhängig vom angesprochenen Leserkreis, im Wesentlichen auf präzisen und detaillierten Informationen beruhen. Wenn die Fallstudie zum Beispiel als Entscheidungshilfe für CIOs gedacht ist, interessieren unter anderem genaue Angaben zu den vom Kunden in Betracht gezogenen Technologien.
Nähere Angaben zur Kaufentscheidung des Kunden gehören auch deshalb in die Fallstudie, weil eine Erfolgsgeschichte keineswegs ausschließt, dass der Kunde mit einem anderen Lösungsansatz oder einem anderen Produkt besser gefahren wäre.
Die Kernaussage der Fallstudie »Der Kunde hat das Problem mit dem Produkt erfolgreich gelöst« ist daher ergänzungsbedürftig.
Aus den Angaben zur Kaufentscheidung des Kunden sollte hervorgehen, warum das Produkt für den Kunden vermutlich die beste Wahl gewesen ist.
Wichtig ist daher auch, wer sich beim Kunden für den Kauf des Produkts eingesetzt hat, zum Beispiel der IT-Verantwortliche des Kunden, der sich vor dem Kauf eine fundierte Meinung gebildet hatte.
Außerdem:
Je sorgfältiger der Kunde seine Kaufentscheidung getroffen hat, umso besser steht das Produkt da.
5. Wie die Anwendung des Produkts gelaufen ist
Jetzt geht es um die zweite Etappe - von der erstmaligen Anwendung des Produkts bis zur Lösung des Problems, dem Erfolg.
Für eine Fallstudie interessiert vor allem die Anfangsphase, die bei komplexen Produkten durch Anlaufschwierigkeiten gekennzeichnet ist. Zum Beispiel mussten Mitarbeiter des Kunden für das Produkt geschult werden und anschließend durch eigene Erfahrungen lernen, das Produkt optimal zu nutzen.
Von Interesse ist außerdem die Einstellung der Mitarbeiter zu dem Produkt, die zunächst vielleicht durch Skepsis geprägt war und sich erst nach einiger Zeit zum Positiven wendete. Möglicherweise waren viele Mitarbeiter anfangs skeptisch, weil sie die Anwendung des Produkts für relativ schwer hielten und daran zweifelten, ob sich die Mühe lohnt.
Wie lange dauerte es, bis das Produkt die gewünschte Wirkung entfaltet hatte? Wer hat dabei geholfen, das Produkt effektiv zu nutzen? Wie sah die Hilfe aus? Was war am schwersten?
Die Wirkung einer Fallstudie hängt stark davon ab, wie glaubwürdig die Erfahrungen des Kunden geschildert sind.
Glaubwürdigkeit gewinnt die Fallstudie erstens, wenn sie weitgehend ungeschönt wirkt. In die Fallstudie gehören daher auch die Hindernisse auf dem Weg zum Happy End.
Glaubwürdigkeit gewinnt die Fallstudie zweitens durch konkrete Angaben (im Gegensatz zu allgemein gehaltenen Schilderungen) und durch interessante Details.
6. Welche Vorteile das Produkt gebracht hat
Hierbei geht es um Vorteile, die sich durch die Lösung des Problems ergeben haben.
Der Erfolg macht sich durch Vorteile für den Kunden als Ganzes bemerkbar und häufig auch durch persönliche Vorteile für einzelne Mitarbeiter.
In eine Fallstudie gehören beide Arten von Vorteilen. Erforderlich sind konkrete Angaben.
Beispiele:
1. Durch das Produkt haben die Vertriebsmitarbeiter an einem Acht-Stunden-Tag im Durchschnitt 30 Minuten mehr Zeit für die Kundengewinnung.
2. Die Sachbearbeiter der Kreditorenbuchhaltung sind durch das Produkt von folgenden Routineaufgaben entlastet worden: ...
3. Eine namentlich genannte Abteilungsleiterin hatte sich trotz verbreiteter Skepsis für den Kauf des Produkts eingesetzt und steht jetzt glänzend da.
Die Ausführungen zu den erreichten Vorteilen belegen den Wert des Produkts und gehören daher zu den Schlüsselpassagen der Fallstudie.
Hilfreich sind auch Angaben zur Amortisationsdauer.
Unter Umständen kann eine kurze Erläuterung sinnvoll sein, warum die beschriebenen Vorteile auf den Einsatz des Produkts zurückzuführen sind.
7. Lessons to Learn
In eine Fallstudie gehört eine thesenförmige Zusammenfassung der wichtigsten Erkenntnisse aus den Erfahrungen des Kunden.
Worauf sollte ein Käufer, der das Produkt ebenfalls anwenden möchte, besonders achten? Was hätte der Kunde - rückblickend gesehen - besser machen können?
8. Handlungsaufforderung
Was soll eine Leserin tun, nachdem sie Ihre Fallstudie gelesen hat?
Normalerweise wollen Sie erreichen, dass die Leserin weitere Informationen über Ihr Produkt einholt. Somit bietet sich an, die Fallstudie durch Hinweise auf nützliche Quellen zu ergänzen, am besten mit Links und kurzen Beschreibungen.
9. Kurzportrait des Herausgebers
Wichtig sind ausführliche Adressdaten, ein Ansprechpartner für Fragen zur Fallstudie und dem Produkt sowie Angaben zum Leistungsspektrum.
Gehaltvolle Fallstudien haben eine ähnliche Funktion wie Referenzen:
Potenzielle Kunden sollen erfahren, was Dritte an Positivem über das Produkt und den Anbieter zu berichten haben.
Die Angabe von Referenzen läuft auf den Vorschlag hinaus, bei den genannten Ansprechpartnern Auskünfte einzuholen.
Das werbetreibende Unternehmen nimmt hierbei den Nachteil in Kauf, dass die Referenzen ihre Erfahrungen mit dem Produkt unter Umständen relativ schlecht vermitteln, indem sie zum Beispiel wichtige Punkte unerwähnt lassen oder zu wenig hervorheben.
Fallstudien der von mir behandelten Art sind vergleichbar mit schriftlich niedergelegten Auskünften von Referenzen.
Die Textform eröffnet die Möglichkeit, die Erfahrungen der Referenzen in leicht verständlicher Form zu vermitteln und durch Hinweise zu ergänzen. Eine gute Fallstudie enthält daher alles, was der betreffende Kunde über die Beschaffung und die Anwendung des Produkts mitteilen möchte.
Fallstudien der von mir behandelten Art erleichtern den Käufern somit die Informationsbeschaffung. Den Käufern bleibt unbenommen, bei den genannten Kunden auch telefonische Auskünfte einzuholen.
Am besten geeignet sind Fallstudien für Käufer, die sich bereits auf einen Lösungsansatz festgelegt haben und eine der folgenden Fragen klären wollen:
Beide Fragen beziehen sich auf die Phasen vier und fünf im folgenden Diagramm.
In der ersten Entscheidungssituation hat der Käufer mehrere gute Angebote vorliegen. Der Käufer überlegt jetzt, ob er sich für das Angebot zum Kauf des Produkts entscheiden soll oder für ein Angebot zum Kauf eines Konkurrenzprodukts.
In der zweiten Entscheidungssituation kommt für den Käufer nur noch das Produkt infrage. Der Käufer überlegt jetzt, ob er das Produkt erwerben soll oder ob es besser wäre, die Entscheidung zu verschieben.
Beispiel:
Ein Callcenter will Spracherkennungssoftware einsetzen. Der Betreiber hält Produkt A für am besten geeignet und zieht daher nur noch Produkt A in Betracht. Der Betreiber zögert aber, weil er sich fragt, ob das Produkt seine Erwartungen erfüllen würde. Wäre es besser, bis zur nächsten Produktgeneration zu warten?
Die Käufer sind in beiden Entscheidungssituationen daran interessiert, alle für sie wichtigen Gesichtspunkte zu berücksichtigen und ein realistisches Bild von der Anwendung und dem praktischen Nutzen des jeweiligen Produkts zu erhalten.
Fallstudien können hierbei in dreierlei Hinsicht eine Hilfe sein:
1. Eine passende Fallstudie beweist, dass das Produkt bereits erfolgreich eingesetzt worden ist. Die Käufer erhalten hierdurch einen Anhaltspunkt, sich auf etwas Praxistaugliches einzulassen.
2. Eine passende Fallstudie wirkt möglichen Bedenken entgegen, die Einführung oder erstmalige Anwendung des Produkts sei übermäßig schwer. Die Käufer erhalten durch die Fallstudie einen Erfahrungsbericht.
3. Eine passende Fallstudie dokumentiert, was das Produkt dem Kunden und seinen Mitarbeitern gebracht hat. Die Käufer erhalten hierdurch einen Hinweis, dass sich die Anschaffung auch für sie lohnen könnte.
Die Erkenntnisse aus einer Fallstudie sind gewöhnlich nur auf Unternehmen übertragbar, die dem in der Fallstudie behandelten Kunden ähnlich sind.
Sie können daher mit einer Fallstudie gewöhnlich nur Käufer überzeugen, die sich und den in der Fallstudie behandelten Kunden für vergleichbar halten, weil sie wichtige Gemeinsamkeiten sehen.
Ideal wäre daher eine Fallstudien-Kollektion, die für jeden bedeutenden Kundentyp passende Dokumente enthält, zum Beispiel Fallstudien über Unternehmen aus verschiedenen Branchen und Größenklassen.
Die bisherigen Ausführungen zu den Vorteilen von Fallstudien (1., 2., 3.) beziehen sich auf die Phasen vier und fünf und damit auf Käufer, die sich bereits auf einen Lösungsansatz festgelegt haben.
Für die ersten drei Phasen (das zu lösenden Problem erkennen, nach Lösungsansätzen suchen, einen Lösungsansatz wählen) sind Fallstudien nur bedingt geeignet, weil es hier um Themengebiete geht, in denen gewöhnlich sehr viel erklärt und argumentiert werden muss.
Eine Fallstudie enthält zwar Hinweise und Erläuterungen, aber nur begrenzt, weil eine Fallstudie als Erfolgsgeschichte geschrieben ist. In einer Erfolgsgeschichte wird in erster Linie erzählt und erläutert, was der Kunde gemacht und geschafft hat.
Umfangreiche Erklärungen und ausgefeilte Argumente würden den Rahmen einer Fallstudie sprengen. Ein White Paper wäre hierfür das bessere Format.
In einem White Paper können Sie zum Beispiel argumentieren, warum ein bestimmtes Problem wichtiger ist als viele Käufer denken oder mehrere Lösungsansätze für ein Problem ausführlich darstellen und miteinander vergleichen.
Wichtig:
Eine Fallstudie eignet sich immer in Kombination mit einem White Paper zum gleichen Produkt - als Praxisbeispiel, das die Aussagen des White Papers untermauert, veranschaulicht oder ergänzt.
Sie können White Papers mit Hilfe von Fallstudien sehr stark aufwerten.
Eine Fallstudie basiert in erster Linie auf einem Interview mit einem hochrangigen Mitarbeiter des Kunden, je nach Unternehmensgröße zum Beispiel mit einem Geschäftsführer, Direktor oder Abteilungsleiter.
Der hochrangige Mitarbeiter sollte eine ähnliche Position haben wie die Leser, die Sie mit der Fallstudie ansprechen möchten. Daher erfordert zum Beispiel eine vorwiegend für CIOs gedachte Fallstudie einen CIO oder IT-Verantwortlichen als Interviewpartner.
Anders formuliert:
Jeder Interviewpartner filtert und interpretiert seine Eindrücke, lässt Dinge weg, die er für unwichtig hält und betont Aspekte, die ihm besonders mitteilenswert erscheinen. Wenn die Fallstudie ein Erfolg werden soll, brauchen Sie demnach einen Interviewpartner, der eine ähnliche Denkweise hat wie die Leser, die Sie mit der Fallstudie ansprechen möchten.
Das Interview führt am besten der Texter, weil das Interview auf das Gesamtkonzept der Fallstudie abgestimmt sein muss. Das Interview findet per Telefon statt oder als persönliches Gespräch beim Kunden.
Ein Fallstudien-Interview ist für den Texter gewöhnlich schwieriger als ein Interview für eine journalistische Publikation.
In einer Fallstudie geht es um Werbung und damit um zielgerichtete Informationsvermittlung. Dies erfordert eine sehr gute Vorbereitung des Texters. Der Texter muss das in der Regel wie ein Gespräch ablaufende Interview so führen, dass er alle für seine Aufgabe benötigten Informationen erhält.
Außerdem ist der Interviewpartner in einer sehr starken Position, weil das werbetreibende Unternehmen die Fallstudie erst verwenden darf, nachdem der Kunde sie genehmigt hat. Der Texter hat daher auch die Aufgabe, bei Bedarf die Bedeutung der einzelnen Interviewfragen und das Konzept der Fallstudie zu erklären.
Zu Beginn des Interviews erläutert der Texter die Aufgabe: die Erfahrungen des Kunden in Form einer Erfolgsgeschichte aufschreiben, und zwar so, dass der Interviewpartner und sein Arbeitgeber in der Fallstudie gut aussehen.
Das Interview ist für den Kunden risikolos, weil alle Beteiligten in den Schreibprozess einbezogen werden und dadurch die Möglichkeit erhalten, Änderungen der Fallstudie zu verlangen.
Der Texter erläutert außerdem, für welche Leser die Fallstudie gedacht ist. Die Fallstudie soll auf den Informationsbedarf dieser Leser abgestimmt werden und muss trotzdem allgemeinverständlich bleiben.
Ein Mitschnitt des Interviews, zum Beispiel mit einem Diktiergerät oder Mitschnittadapter, ist hilfreich, aber verzichtbar, weil der Texter schwer zu behaltende Details aufschreiben kann. Ein Mitschnitt erfordert die vorherige Zustimmung des Interviewpartners.
Im Interview stellt der Texter nur Fragen, die er nicht anderweitig klären konnte. Dies ist wichtig, weil ein sparsamer Umgang mit der Zeit des Interviewpartners in der Regel die Auskunftsbereitschaft erhöht.
Der Aufbau des Interviews ergibt sich aus dem beschriebenen Fallstudien-Aufbau.
Naheliegend sind Fragen der folgenden Art:
1. Was wollten Sie durch den Kauf des Produkts ändern oder verbessern? Welche Bedeutung/Dringlichkeit hatte das Problem für Sie?
2. Erzählen Sie bitte, wie Ihre Kaufentscheidung zustande gekommen ist, indem Sie auf die folgenden Punkte eingehen:
3. Erzählen Sie bitte, wie die Anwendung des Produkts gelaufen ist, insbesondere in der Anfangsphase. Von Interesse sind unter anderem die folgenden Punkte:
4. Beschreiben Sie bitte durch konkrete Angaben die Vorteile, die das Produkt gebracht hat. Die folgenden Punkte sollen dabei helfen:
5. Haben Sie Tipps für Leser, die das Produkt ebenfalls in ihrem Unternehmen anwenden möchten? Was hätten Sie besser machen können?
6. Gibt es sonst noch etwas, das Sie für mitteilenswert halten?
Der Interviewpartner akzeptiert, dass er in der Fallstudie namentlich genannt wird und dass ihm mindestens ein aussagekräftiges Zitat zugeschrieben wird.
Ein solches Zitat fasst zum Beispiel kurz zusammen, welche Produktmerkmale dem Kunden am meisten geholfen haben. Erforderlich sind konkrete, möglichst prägnant formulierte Angaben.
Für das Zitat möchte ich an eine Konvention aus dem Journalismus erinnern, wonach Sie einem Menschen grundsätzlich alles in den Mund legen dürfen, was sie oder er autorisiert hat.
Beispiel:
Ein Journalist erfindet eine Äußerung, mit der er einen bekannten Politiker in einem Zeitungsartikel zitieren möchte. Der Journalist wendet sich an den Pressesprecher des Politikers und fragt, ob er den Politiker wie gewünscht zitieren darf. Nachdem der Pressesprecher zugestimmt hat, ist aus der erfundenen Äußerung ein korrektes Zitat des Politikers geworden, das in der Zeitung stehen darf.
Dem Interviewpartner kann egal sein, ob seine Wortbeiträge verwertbare Zitate enthalten. Die Suche nach geeigneten Formulierungen gehört zur Aufgabe des Texters, der somit auch als Ghostwriter fungiert.
Der Texter muss für die Fallstudie Formulierungen finden, die zu dem passen, was der Interviewpartner gesagt hat und abwarten, ob der Interviewpartner und sein Arbeitgeber hiermit einverstanden sind.
Am schwersten zu erfragen sind die Vorteile, die der Kunde mit dem Produkt erreicht hat.
Wenn der Interviewpartner nicht weiß, wie er die Vorteile angeben kann oder soll, helfen gewöhnlich zwei Fragetechniken:
Bei Fragetechnik eins arbeitet der Texter darauf hin, dass der Interviewpartner seine Antworten Schritt für Schritt präzisiert. Der Texter beginnt mit einer allgemeinen Frage, wartet die Antwort ab und hakt dann nach, um Genaueres zu erfahren.
Beispiel:
»Wie wirkt sich das Produkt auf Ihre Abteilung aus?«
»Das Produkt erspart uns unnötige Arbeit.«
»Was können Ihre Mitarbeiter jetzt schneller erledigen als früher?«
»Unsere Sachbearbeiter sehen jetzt viel schneller, ob unsere Lieferanten ihre Leistungen bereits erbracht haben.«
»Wie lange hat das früher ungefähr gedauert? Wie lange dauert es heute?«
Fragetechnik eins hat den Nachteil, dass der Interviewpartner das Verhalten des Texters als unangenehm empfinden könnte.
Ich denke dabei weniger an schlecht informierte Gesprächspartner, die sich keine Blöße geben wollen. Beharrliches Nachfragen wirkt auf manche Leute provozierend, weil es als Oberhandtechnik empfunden werden kann.
Bei Fragetechnik zwei nennt der Texter einen Zahlenwert und bittet seinen Gesprächspartner um einen Vergleich.
Beispiel:
»Andere Kunden senken ihre Reisekosten durch unser Produkt um durchschnittlich 40%. Trifft dies auch für Sie zu?«
»Das könnte ungefähr hinkommen.«
»Würden Sie die Kostensenkung aus dem Bauch heraus eher niedriger ansetzen oder eher höher?«
»Eher niedriger.«
»Wäre es in Ordnung, wenn ich als geschätzte Kostensenkung ein Drittel angebe?«
Fragetechnik zwei ist für den Texter gewöhnlich leichter als Fragetechnik eins. Die schwierigere Fragetechnik hat aber das größere Potenzial, weil der Texter mit Fragetechnik eins versuchen kann, sehr spezifische Angaben zu erhalten.
Eine Fallstudie der von mir behandelten Art ist ein Werbetext in der Form einer Erfolgsgeschichte, aus dem die Leser etwas lernen sollen.
Bei dieser Ausrichtung muss eine Fallstudie, um einen guten Eindruck auf die Leser zu machen, zwei Grundanforderungen erfüllen:
Lebendig wirkt eine Fallstudie durch die im Text auftretenden Menschen. Was hat die namentlich genannte Hauptperson gemacht? Was hat sie gesagt? Wie haben andere Mitarbeiter reagiert? Was haben sie bei der Einführung des Produkts erlebt?
Substanz bieten heißt, den Text faktenorientiert halten, nicht vom Thema abschweifen, auf unnötige Ausführungen verzichten und eindeutige Angaben machen. Werbesprache ist damit weitgehend ausgeschlossen.
Unterhaltende Stilmittel wie Humor, saloppe Formulierungen, Pointen oder Ironie sind für alle Arten von White Papers unpassend.
Fallstudien der von mir behandelten Art unterscheiden sich daher in stilistischer Hinsicht von journalistischen Texten aus Publikumszeitschriften.
Eine gute Fallstudie ist für zwei Arten von Lesern geschrieben:
Zur zweiten Gruppe gehören unter anderem vielbeschäftigte Führungskräfte, denen nichts anderes übrig bleibt, als große Teile ihrer Lektüre (Mails, Werbung, Fachpublikationen) schnell durchzusehen und nur das Wichtigste aufmerksam zu lesen.
Eine Fallstudie sollte daher so gemacht sein, dass die Kernaussagen auch bei flüchtigem Lesen deutlich werden.
Besonders wichtig sind der Titel, der Vorspann, aussagekräftige Zwischenüberschriften, optisch hervorgehobene Schlüsselsätze und Zitate, die Lessons to Learn, die Handlungsaufforderung und, sofern das Thema dies hergibt, informative Grafiken und Übersichten.
Darüber hinaus sollten die Unterabschnitte einer Fallstudie so weit wie möglich entkoppelt sein, damit das Dokument selektiv gelesen werden kann.
Beispiel:
In einer Fallstudie wird eine wenig geläufige Abkürzung sehr oft verwendet. Die Abkürzung ist nur auf Seite eins erläutert.
Der Verfasser der Fallstudie hat damit an Leser gedacht, die das Dokument von vorne nach hinten durchlesen und sich die Bedeutung der Abkürzung entweder merken oder notieren.
Wer auf Seite drei einsteigt und dort auf die Abkürzung trifft, stolpert und tendiert vielleicht sogar dazu, die Lektüre abzubrechen.
Textpassagen, deren Bedeutung Sie nur verstehen können, wenn Sie einen Teil der vorangehenden Ausführungen gelesen haben, lassen sich häufig nicht vermeiden. Der Text sollte dann aber Hinweise auf solche Zusammenhänge enthalten (»Wie bereits im letzten Abschnitt erläutert« und Ähnliches).
Der Titel soll die Leser auf die Fallstudie aufmerksam machen und dazu anregen, sich das Dokument genauer anzusehen. Der Titel ist daher von herausragender Bedeutung.
In journalistischen Publikationen sind Titel häufig nur als Aufhänger gedacht und nicht als Inhaltsbeschreibung.
Beispiel:
Eine Journalistin hat eine Idee für einen Artikel über ein Verbraucherthema.
Die Journalistin sucht nach einer Möglichkeit, ihr Thema mit dem aktuellen Tagesgeschehen in Verbindung zu bringen. Sie hat Glück und findet eine Studie, in der auf einen neuen Trend im Verbraucherverhalten hingewiesen wird.
Die Journalistin weist daher im Titel ihres Artikels auf den neuen Trend hin, geht im Artikel kurz auf den Trend ein und nimmt den Trend dann als Anlass, ihr eigentliches Thema abzuhandeln.
Wie gut der Titel den Inhalt des Artikels beschreibt, ist bei dieser Herangehensweise zweitrangig.
Leserbefragungen haben gezeigt, dass irreführende Titel schlecht ankommen (Näheres dazu im Kapitel »White Papers texten«).
Ein guter Fallstudien-Titel informiert daher, um wen und was es in der Fallstudie geht.
In den Titel gehören der Name des betreffenden Kunden und ein Hinweis auf den erreichten Erfolg, zum Beispiel »Wie Unternehmen A seine Energiekosten in y Monaten um z Prozent gesenkt hat«.
Empfehlenswert ist ein Untertitel, der die im Titel enthaltenen Informationen präzisiert oder ergänzt.
Sie können zum Beispiel darauf hinweisen, wie der Erfolg zustande gekommen ist (mit welcher Art von Produkt), welche Unternehmensbereiche hiervon profitiert haben oder - sehr gut - worin der Nutzwert der Fallstudie besteht.
Manche Leser denken beim Wort »Fallstudie« spontan an seichtes Werbematerial. Ein Untertitel kann diesem Eindruck entgegenwirken, zum Beispiel nach folgendem Schema:
»Wie Unternehmen A seine Energiekosten in y Monaten um z Prozent gesenkt hat / Ein White Paper über modernes Projektmanagement in der X-Branche«
Hier signalisiert der Untertitel durch die Formulierungen »White Paper« und »modernes Projektmanagement«, dass das Dokument über die Schilderung einer Erfolgsgeschichte hinausgeht.
Der Name des Produkts kann überall in der Fallstudie stehen, wo dies angemessen erscheint.
Wenn Sie den Produktnamen im Titel nennen, müssen Sie jedoch mit Missverständnissen rechnen: Ihre Leser könnten das Dokument - wegen seines produktorientierten Titels - für einen gewöhnlichen Marketingtext halten.
Für das Layout von Fallstudien gibt es drei Möglichkeiten:
1. Möglichkeit: Sie orientieren sich bei der visuellen Gestaltung von Fallstudien an den Leitgedanken für das Layout von White Papers (nachzulesen im Kapitel »White Papers layouten«).
Das Fallstudien-Layout ist dann einfach gehalten und wirkt eher schlicht und maßvoll, wie bei einer Fachpublikation.
Bei dieser Herangehensweise gibt es, bezogen auf das Layout, nur zwei wesentliche Unterschiede zwischen Fallstudien und White Papers:
2. Möglichkeit: Sie orientieren sich bei der visuellen Gestaltung von Fallstudien am Layout von passenden Zeitschriften.
Ich denke dabei in erster Linie an Fachzeitschriften, weil gute Fallstudien, zumindest in abgewandelter Form, als Fachartikel veröffentlicht werden können.
Ein Layout wie bei Publikumszeitschriften wäre dagegen fragwürdig. Viele Leser assoziieren die für solche Zeitschriften typische Hochglanzoptik mit Infotainment.
3. Möglichkeit: Sie orientieren sich bei der visuellen Gestaltung von Fallstudien am Layout von herkömmlichen Werbetexten.
Dies kann sinnvoll sein, wenn Vertriebsmitarbeiter die Fallstudien zusammen mit herkömmlichen Werbemitteln verwenden.
Beispiel:
Ein Vertriebsmitarbeiter übergibt einem Kunden ein Informationspaket mit Produktbroschüren, Datenblättern und Fallstudien, dessen Bestandteile einheitlich gestaltet sind.
Hier signalisiert das einheitliche Layout, dass alle Werbemittel vom selben Unternehmen stammen und zum gleichen Informationspaket gehören.
Manchmal bietet sich an, eine Fallstudie in zwei Varianten zu verwenden: einmal wie ein herkömmlicher Werbetext layoutet (3. Möglichkeit) und einmal wie ein Fachtext (1. oder 2. Möglichkeit).
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Content-Marketing mit White Papers für Start-up-Unternehmen im B2B-Geschäft
1. White Papers als Werbemittel
2. Fallstudien im Sinne von White Papers
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