Zielgruppe: Marketer von Technologieprodukten, Konsumgütern und Dienstleistungen
Schwerpunkte: Konzept, Text, Layout und Verwertung von White Papers, Fallstudien als Sonderform
Learnings: Umfassende Kenntnisse für die Werbung mit White Papers und Fallstudien
2. Ausgabe vom 4. Februar 2014
Verfasser: Dr. Rainer Hastedt
Bezugsquelle: www.ghostwriting-service.de
E-Mail-Adresse: hastedt@dr-hastedt.de
Der Begriff »White Paper« bezeichnet in seiner ursprünglichen Bedeutung ein an die Öffentlichkeit gerichtetes Dokument, in dem eine Regierung ihren Standpunkt zu einer politischen Frage erläutert. Als Klassiker gilt das White Paper der Britischen Regierung über den Palästinakonflikt aus dem Jahr 1922.
In der Werbung dienen White Papers ebenfalls dazu, Standpunkte zu erläutern, jetzt aber mit dem Ziel, Produkte oder Dienstleistungen zu verkaufen. White Papers sind bei dieser Ausrichtung Marketing-Instrumente, ebenso wie Verkaufsprospekte oder Produktbroschüren.
Das Besondere an White Papers ist die indirekte Form der Werbung:
In einem White Paper wird das zu vermarktende Produkt nicht direkt angepriesen, sondern als mögliche Lösung ins Spiel gebracht.
Denken Sie zum Beispiel an einen Hersteller von gerösteten Erdnüssen, der gute Erdnussbutter im deutschen Einzelhandel für Mangelware hält. Gängig sind Sorten mit viel Zucker und gehärteten Fetten.
Der Hersteller entscheidet sich daher für ein White Paper zu folgendem Thema: »Wie Sie leckere und gesunde Erdnussbutter ganz einfach selber machen«.
Das White Paper beschreibt die Vorgehensweise - geröstete Erdnüsse abspülen, im Backofen noch einmal rösten, zerkleinern, in einen geeigneten Mixer geben, die richtige Menge Salz einstreuen und so lange rühren, bis die Erdnüsse zu Brei geworden sind.
In das White Paper gehören alle für diese Aufgabe erforderlichen Hintergrundinformationen, unter anderem mit welchen Geräten Sie die Erdnüsse verarbeiten können, wie Sie die Erdnüsse richtig rösten, wie sich der Salzgehalt auf den Geschmack auswirkt, wovon die Konsistenz des Endprodukts abhängt und wie Sie die Rezeptur auf einfache Weise variieren können.
Das White Paper ist aus Lesersicht kein Werbetext, sondern ein Ratgeber mit Tipps zum Selbermachen von Erdnussbutter. Die Werbewirkung beruht auf dem Wissenstransfer, durch den der Hersteller dazu anregt, sein als Snack vermarktetes Produkt auch als Zutat zu verwenden.
Wie das Beispiel zeigt, gehen die Anwendungsmöglichkeiten für White Papers über teure High-Tech-Produkte weit hinaus. Das Beispiel handelt von einem standardisierten Konsumgut.
Ich will Ihnen White Papers in ihrer vollen Bandbreite vorstellen, weil dies auch für Leser sinnvoll ist, die sich ausschließlich für bestimmte Arten von White Papers interessieren, zum Beispiel ausschließlich für White Papers über Informationstechnologie.
Warum?
Die von mir besprochenen Leitgedanken, nach denen Sie werbewirksame White Papers konzipieren, texten und layouten können, gelten für alle Branchen und Kundentypen.
Konzept:
Es gibt zahlreiche Leserbefragungen über White Papers. Zu den wichtigsten Erkenntnissen dieser Studien gehört: Leser mögen es nicht, wenn das Produkt in einem White Paper direkt angepriesen wird (wie in einer Werbebroschüre). Ich kenne keine ernst zu nehmende Studie, die diese Einschätzung infrage stellt.
Somit lautet der Ansatz: Das Thema des White Papers so abgrenzen und präzisieren, dass die Leser einen für sie nützlichen Ratgeber erhalten und zugleich durch sachliche Argumente dazu angeregt werden, über den Kauf des Produkts nachzudenken.
Dies ist bei manchen Produkten relativ schwer umzusetzen. Beispiele aus unterschiedlichen Branchen helfen dabei, weil sie die Herangehensweise verdeutlichen.
Text:
White Papers können für Laien geschrieben sein oder für hochspezialisierte Fachkräfte mit sehr guten Vorkenntnissen. Das Spektrum reicht von einfach gehaltenen Privatkunden-White-Papers bis zu detaillierten Abhandlungen über komplizierte technische Themen.
Obwohl die Unterschiede groß sind, gibt es eine wichtige Gemeinsamkeit: White Papers müssen allgemeinverständlich sein.
Nehmen Sie als Beispiel ein White Paper, das Computerspezialisten aus größeren Unternehmen ansprechen soll.
Wenn Sie das White Paper ausschließlich für diesen Leserkreis schreiben, grenzen Sie kaufmännische Führungskräfte aus. Dies wäre ungünstig, weil bedeutende Kaufentscheidungen gewöhnlich von mehreren Mitarbeitern abhängen. Ein kaufmännischer Geschäftsführer könnte geneigt sein, sich ein eigenes Bild zu machen, bevor er seine Zustimmung gibt.
Ein leicht verständliches White Paper für Privatkunden ist daher ein interessanter Vergleichsmaßstab, wenn Sie die Textqualität von White Papers über technische Themen bewerten. Im Privatkunden-White-Paper sind zum Beispiel alle wichtigen Fachbegriffe auf einfache Weise erläutert. Dies geht auch in technischen White Papers, da Sie Fachbegriffe so erläutern können, dass auch Spezialisten damit zufrieden sind.
Layout:
Die Anforderungen an das Layout von White Papers hängen vom Thema ab und vom angesprochenen Leserkreis. Es gibt Themen, die ein buntes Layout mit vielen Bildern nahelegen und Themen, bei denen selbst einfache Diagramme überflüssig wirken. White Papers für Vorstände und Geschäftsführer erfordern gewöhnlich ein aufwändigeres Layout als White Papers für technische Fachkräfte.
Trotz aller Unterschiede können Sie viele Gemeinsamkeiten finden, weil sich bestimmte Gestaltungsmuster bewährt haben und daher häufig auftreten, zum Teil in abgewandelter Form.
Es ist daher sinnvoll, sich auch mit dem Layout von White Papers zu beschäftigen, deren Themen außerhalb des eigenen Interessengebiets liegen.
Sie können sich in den folgenden Abschnitten über die Einsatzmöglichkeiten von White Papers informieren. Hierbei lesen Sie,
Sie finden White Papers häufig unter anderen Bezeichnungen, zum Beispiel als Broschüren, E-Books oder Ratgeber. Außerdem gibt es wissenschaftliche Texte und Marktforschungsberichte mit der Bezeichnung »White Paper«, von denen manche sogar nur gegen Bezahlung erhältlich sind.
Wenn Sie wissen wollen, ob Sie ein White Paper im Sinne eines Werbetexts vor sich haben, bleibt Ihnen manchmal keine andere Wahl, als sich das Dokument kurz anzusehen und zu überlegen, ob der Text die folgende Definition erfüllt:
Ein White Paper ist ein Werbetext, der den Lesern als Ratgeber dienen soll und hierzu praxisorientierte Informationen bietet - über eine für potenzielle Kunden bedeutsame Aufgabe, Herausforderung oder Geschäftsentscheidung.
Ein White Paper hat nach dieser Definition drei bedeutende Merkmale:
1. Das White Paper ist auf eine für potenzielle Kunden bedeutsame Aufgabe, Herausforderung oder Geschäftsentscheidung fokussiert. Im Beispiel lautet die Aufgabe: »Erdnussbutter selber machen«. Das White Paper behandelt nur diese Aufgabe.
2. Das White Paper gibt nützliche Hinweise, wie die Aufgabe, Herausforderung oder Geschäftsentscheidung gemeistert werden kann. Im Beispiel erläutert das White Paper, wie man geröstete Erdnüsse aus der Dose zu Erdnussbutter verarbeitet.
3. Das White Paper liefert durch seine praxisorientierten Informationen eine Kaufanregung für ein Produkt, mit dem der Herausgeber des White Papers Geld verdient. Im Beispiel regt das White Paper dazu an, geröstete Erdnüsse zu kaufen; der Herausgeber des White Papers zählt zu den Herstellern dieses Produkts.
Sie können mehrere Arten von White Papers unterscheiden:
White Papers für Privatkunden richten sich an Leser, die erstens in der Regel Laien auf dem behandelten Gebiet sind, die zweitens in der Regel allein entscheiden können, ob sie das Produkt kaufen und die drittens in der Regel ihr eigenes Geld für das Produkt ausgeben würden.
White Papers für Geschäftskunden richten sich an Unternehmen, Behörden oder Non-Profit-Organisationen. Hier geht es um Leser, die sich aus beruflichen Gründen mit dem behandelten Thema beschäftigen und in der Regel nur zusammen mit anderen Mitarbeitern entscheiden können, ob der Arbeitgeber das Produkt kauft.
Technische White Papers und Business White Papers gehören zu den White Papers für Geschäftskunden. In technischen White Papers stehen technische Aspekte im Mittelpunkt, in Business White Papers dagegen wirtschaftliche.
Die Unterscheidung beruht auf der in größeren Organisationen bestehenden Arbeitsteilung. Im Beruf interessieren sich zum Beispiel technische Fachkräfte in erster Linie für die technischen Aspekte eines Themas.
White Papers für Geschäftskunden können auch Mischungen aus technischen und Business White Papers sein, und zwar dann, wenn sie auf sehr kleine Unternehmen, Behörden oder Organisationen zugeschnitten sind. Wer zum Beispiel als selbständiger Ingenieur arbeitet oder eine Arztpraxis betreibt, muss sich auch mit den wirtschaftlichen Aspekten seiner Leistungen beschäftigen.
White Papers gehören als Marketing-Instrumente zum Content-Marketing.
Das Wort »Content-Marketing« steht für eine Marketing-Technik, bei der ein Unternehmen wertvollen Content veröffentlicht, um hiermit eine klar definierte Zielgruppe anzusprechen und dadurch wirtschaftliche Vorteile zu erlangen, zum Beispiel mehr Umsatz, eine höhere Zahlungsbereitschaft der Kunden oder Premiumpreise im Vergleich zu Konkurrenzprodukten.
Für das Content-Marketing eignen sich zahlreiche Formate, neben White Papers unter anderem Bücher, Artikel, Zeitschriften und Videos.
Das Marketing mit Hilfe von White Papers ist daher eine spezielle Form von Content-Marketing - Content-Marketing mit eng fokussierten Ratgebern, die zum Kauf bestimmter Produkte oder Dienstleistungen anregen sollen.
Das Marketing mit Hilfe von White Papers überschneidet sich mit einer anderen Form des Content-Marketings, dem Kompetenzmarketing, bei dem es darum geht, durch wertvollen Content die eigenen Kompetenzen zu verdeutlichen.
Beispiele:
1. Eine Trainerin publiziert ein Buch über ihre Trainingsmethoden, um ihren Experten-Status zu untermauern und ein Referenzwerk für ihre Trainingskurse zu haben.
2. Ein Hersteller von Technologieprodukten veröffentlicht Beiträge über die Anwendung seiner Produkte und den zu erwartenden Fortschritt auf dem betreffenden Fachgebiet. Der Hersteller will zeigen, dass er Kunden bei der Nutzung seiner Produkte unterstützen kann und gewillt ist, langfristig im Geschäft mit diesen Produkten zu bleiben.
3. Ein Texter bietet auf seiner Website und anderen Internet-Plattformen zahlreiche Artikel über Marketing-Themen. Der Texter verfolgt hiermit mehrere Ziele. Er will unter anderem verdeutlichen, dass er seine Kunden fundiert beraten kann, also mehr ist als nur ein Textproduzent.
White Papers können - je nach Thema - häufig auch dem Kompetenzmarketing zugeordnet werden.
Ein Beispiel ist ein Business White Paper, in dem ein Beratungsunternehmen auf eine in den nächsten Jahren anstehende Herausforderung hinweist und erläutert, wie diese Herausforderung gemeistert werden kann. Das Beratungsunternehmen will auf diese Weise unter anderem zeigen, dass es für derartige Projekte über die notwendige Expertise verfügt.
Sie können mit einem White Paper nur Erfolg haben, wenn sich genügend Käufer über das behandelte Thema informieren wollen.
Andererseits sind die Möglichkeiten bei der Themenwahl begrenzt, weil das White Paper dazu anregen soll, Ihr Produkt zu kaufen.
Für ein White Paper brauchen Sie daher ein Thema, das erstens für potenzielle Kunden wichtig genug ist, sich hiermit näher zu beschäftigen und zweitens in engem Zusammenhang mit dem Kauf Ihres Produkts steht.
Ob ein solches Thema existiert, hängt von zwei Faktoren ab: vom Kundentyp und von der Art des Produkts.
Geschäftskunden (Unternehmen, Behörden und Non-Profit-Organisationen) nutzen das Produkt für geschäftliche oder dienstliche Zwecke.
Geschäftskunden sind fast immer daran interessiert, wirtschaftlich sinnvolle Kaufentscheidungen zu treffen. Außerdem geben die beteiligten Mitarbeiter im Dienst das Geld ihres Arbeitgebers aus, weshalb sie in der Lage sein müssen, ihre Mittelverwendung intern zu rechtfertigen.
Geschäftskunden haben daher in der Regel ein großes Interesse an fundierten Informationen für ihre Kaufentscheidungen.
Es gibt allerdings zwei Ausnahmen:
Die erste Ausnahme bilden Bagatellkäufe. Dies betrifft Produkte, bei denen es die Geschäftskunden als Zeitverschwendung ansehen würden, sich hiermit intensiv zu beschäftigen. Bei solchen Produkten fallen die Kaufentscheidungen häufig spontan.
Die zweite Ausnahme bilden routinemäßige Kaufentscheidungen. Ein Handelsunternehmen kauft zum Beispiel regelmäßig Zucker, ein Industriebetrieb regelmäßig bestimmte Arten von Schrauben, ein Dienstleister regelmäßig Druckerpapier. Hier sind die grundlegenden Fragen bereits geklärt; aus Kundensicht geht es praktisch nur noch um die Konditionen.
Ob ein Produkt von Geschäftskunden routinemäßig gekauft wird, liegt manchmal auch an den Anbietern:
Sie könnten ein bislang routinemäßig gekauftes Produkt verbessern und den Käufern dadurch eine neue Wahlmöglichkeit bieten. Unter Umständen geht dies auch, indem Sie das Produkt modifizieren oder mit anderen Leistungen bündeln, den Kunden zum Beispiel Baugruppen an Stelle von Einzelteilen verkaufen.
Somit bleibt festzuhalten:
Für das Geschäft mit Unternehmen, Behörden und Non-Profit-Organisationen sind White Papers - abgesehen von den beiden Ausnahmen - geeignet.
Geschäftskunden interessieren sich grundsätzlich für alles, was sie erfolgreicher machen könnte. Für das Geschäft mit Unternehmen, Behörden und Non-Profit-Organisationen gibt es daher immer passende White-Paper-Themen.
Beispiel:
Eine selbständige Trainerin leidet unter der Konkurrenz von Billiganbietern.
Die Trainerin sieht als Hauptgrund fehlende Kenntnisse auf Seiten der Kunden: Wer die Qualität nicht einschätzen kann, richtet sich nach dem Preis und dem spontanen Eindruck von der Verkaufspräsentation.
Die Trainerin publiziert daher eine ausführlich kommentierte Checkliste für die Auswahl geeigneter Trainer.
Privatkunden kaufen das Produkt in der Regel für sich oder ihre Familie.
Privatkunden können, wenn sie dies wollen, sogar bei wichtigen Kaufentscheidungen impulsiv handeln, ohne sich hierfür rechtfertigen zu müssen. Viele Privatkunden informieren sich manchmal nur wenig, weil sie durch ihr Berufs- und Familienleben stark eingespannt sind.
Ob sich Privatkunden für ein White Paper interessieren, ist daher schwerer einzuschätzen als bei Geschäftskunden.
Es gibt drei Anhaltspunkte:
Jeder dieser Anhaltspunkte deutet bereits für sich allein darauf hin, dass Privatkunden an einem White Paper interessiert wären.
Die als Beispiel verwendeten gerösteten Erdnüsse erfüllen das dritte Kriterium - bezogen auf die Anwendung »Erdnussbutter herstellen«.
Ein White Paper zum Thema »Wie Sie leckere und gesunde Erdnussbutter ganz einfach selber machen« wäre sehr gut für Privatkunden geeignet. Das White Paper würde in ein beliebtes Themengebiet fallen und hätte einen konkreten, leicht erkennbaren Nutzwert.
Ob ein Produkt nur eines der drei Kriterien erfüllt oder gleich mehrere, sagt wenig, weil die Kriterien nur Anhaltspunkte sind.
Beispiel:
Das Produkt »Kapitallebensversicherung« erfüllt alle drei Kriterien. Die Versicherungsbeiträge sind hoch (wegen des Sparanteils). Es gibt große Unterschiede zwischen den am Markt erhältlichen Tarifen und Vertragsbedingungen. Für den sachgerechten Abschluss einer derartigen Versicherung sind Spezialkenntnisse erforderlich.
Ein White Paper wie »Acht Fehler, die Sie beim Abschluss einer Kapitallebensversicherung vermeiden sollten« müsste demnach für Privatkunden interessant sein.
Gegen diese Einschätzung spricht zunächst, dass Finanzthemen bei Privatkunden relativ unbeliebt sind.
Außerdem soll ein White Paper als Entscheidungshilfe dienen. Das White Paper muss daher ein gewisses Maß an Tiefgang erreichen und somit auch komplizierte Sachverhalte behandeln. Bei einer solchen Ausrichtung des Texts - fundierte Informationen an Stelle von Allgemeinplätzen - ist die Gefahr groß, über die Köpfe der meisten Privatkunden hinweg zu schreiben.
Privatkunden werden ein White Paper über den Abschluss von Kapitallebensversicherungen wahrscheinlich nur als Lektüre in Betracht ziehen, wenn es sehr gut gemacht ist - leserfreundlich aufbereiteter Text mit auf Anhieb erkennbarem Nutzwert, anschaulichen Beispielen und attraktivem Layout.
Menschen neigen dazu, innerlich auf Abwehr zu schalten, wenn aktiv versucht wird, sie zum Kauf zu bewegen. Eine Kundin geht zum Beispiel in ein Geschäft, wo sie über die Lautsprecheranlage mit Werbung berieselt wird. Die Kundin hört weg, weil ihr das Gesäusel auf die Nerven geht.
Sie können das Verkaufen daher als zweistufigen Prozess auffassen:
Im ersten Schritt bewegen Sie einen Käufer dazu, Ihrem Angebot seine Aufmerksamkeit zu schenken. Nachdem Sie dies geschafft haben, folgt der zweite Schritt: Sie präsentieren dem Käufer Ihr Angebot und versuchen, ein Geschäft abzuschließen.
Ein klassisches, auf Claude Hopkins zurückgehendes Beispiel soll das Prinzip verdeutlichen:
Kaffee wurde in den USA zu Beginn des 20. Jahrhunderts an der Haustür verkauft, gewöhnlich von Männern. Um Neukunden zu gewinnen, mussten die Verkäufer bei fremden Leuten an die Wohnungstür klopfen und versuchen, irgendwie zum Verkaufserfolg zu kommen. Die Vertriebsorganisationen experimentierten damals mit unterschiedlichen Taktiken.
Als stärkste Taktik erwies sich die folgende:
Der Verkäufer klopft unangemeldet an die Tür und bietet der Hausfrau ein halbes Pfund Kaffee der besten Sorte als Geschenk. Einzige Bedingung: Der Verkäufer darf in einer Woche noch einmal vorbeikommen und fragen, was sie von der Sorte hält.
Den zweiten Hausbesuch beginnt der Verkäufer mit der angekündigten Nachfrage. Anschließend bietet er ein weiteres Geschenk, das die Käuferin aber nur erhält, wenn sie ihre erste Bestellung aufgibt.
Der wichtigste Vorteil dieser Taktik liegt in der Anbahnung des Verkaufsgesprächs. Bei der einfachsten Taktik - unangemeldet an die Tür klopfen und sofort den Kaffee zum Kauf anbieten - fühlen sich die Angesprochenen belästigt. Die Variante mit den Geschenken erzeugt ein wesentlich angenehmeres Verkaufsklima.
Das kostenlose Päckchen Kaffee diente erstens als Aufhänger zur Kontaktaufnahme (»Guten Tag, ich möchte Ihnen ein halbes Pfund Kaffee schenken«) und zweitens als Verkaufshilfe (»Wie hat Ihnen der Kaffee geschmeckt?«). Der Verkäufer konnte seine Argumente bei dieser Taktik unter günstigen Umständen vortragen. Er brauchte keine Behauptungen über den Geschmack und die Qualität des Kaffees aufzustellen. Die Hausfrau hatte sich zuvor eine eigene Meinung gebildet.
White Papers haben - taktisch gesehen - die gleiche Funktion wie Produktproben, Demoversionen und kostenlose Probetrainings.
Die Grundidee lautet:
Wer verkaufen will, sollte nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen, sondern zunächst darauf hinarbeiten, dass sich die Angesprochenen in Ruhe mit dem Produkt beschäftigen und dabei seinen Wert erkennen (wie es schmeckt, was man damit machen kann, wobei es hilft, ...).
Zum Beispiel bieten viele Softwarefirmen Testversionen, damit Käufer die Produkte kostenlos ausprobieren können. Diese Vorgehensweise ist gut, für sich genommen aber nicht immer überzeugend, weil moderne Software-Produkte schwer einzuschätzen sind. Ob die getestete Software - oder ein Konkurrenzprodukt - den Bedarf eines bestimmten Käufers am besten deckt, bleibt offen.
Ein White Paper kann diese Lücke schließen, zum Beispiel ein Business White Paper über das Problem, für dessen Lösung die Software entwickelt worden ist: Worum es aus Kundensicht geht und was die passende Software leisten sollte. Ein solches White Paper würde die Vorzüge des Produkts verdeutlichen.
Den Ausgangspunkt bildet das folgende, aus der IT-Branche stammende Phasenschema.
Das Phasenschema beschreibt das Maximalprogramm, das ein Kunde bei einer schwierigen Kaufentscheidung absolvieren könnte:
Nach dem Phasenschema löst ein Kunde bei einer Kaufentscheidung fünf Aufgaben. Dabei kann der Kunde die obige Reihenfolge einhalten oder nicht.
Beispiel:
Ein Kunde erkennt das zu lösende Problem, sucht kurz nach Lösungsansätzen, holt Angebote ein, ist mit den Angeboten unzufrieden und fängt erst jetzt an, intensiver nach Lösungsansätzen zu suchen.
Beim Phasenschema geht es um die für eine Kaufentscheidung zu lösenden Aufgaben. Ich behaupte nicht, dass ein bestimmter Kunde diese Aufgaben immer in einer bestimmten Reihenfolge löst. Außerdem sagt das Phasenschema nichts darüber aus, wie viel Zeit und Mühe ein Kunde in seine Kaufentscheidung investiert.
Die fünf Aufgaben können unterschiedlich schwer sein, je nach Produkt und Kenntnisstand des Kunden.
Beispiel:
Wenn Ihr Computer nicht mehr funktioniert, brauchen Sie für die Problemerkenntnis vielleicht eine Sekunde. Die infrage kommenden Lösungsansätze sind naheliegend: a) den Computer in Ordnung bringen lassen, b) dies selber versuchen, c) einen neuen Computer kaufen.
Wenn Sie Lösungsansatz c) wählen, stehen Sie vor der Herausforderung, den für Sie passenden Computer zu finden (Angebote einholen und eines davon auswählen). Dies kann aufwändig sein, wenn Sie den Kauf zum Anlass nehmen, Ihre Ausrüstung zu modernisieren.
Nach dem Phasenschema können Sie jeden Kauf als das Ergebnis eines aus fünf Phasen bestehenden Entscheidungsprozesses sehen.
Ein Verkaufsabschluss bedeutet demnach, dass der Kunde den Entscheidungsprozess aus Ihrer Sicht erfolgreich durchlaufen hat - von der Problemerkenntnis (eins) bis zur Auswahl Ihres Angebots (fünf).
Zu Ihren potenziellen Kunden gehören alle Käufer, für die Ihr Produkt eine sinnvolle Anschaffung wäre. Ein White Paper dient dazu, Ihre potenziellen Kunden auf dem Weg zum Kauf Ihres Produkts voranzubringen - von der Problemerkenntnis (eins) bis zur Auswahl Ihres Angebots (fünf).
Man kann das Phasenschema auch als Sales Funnel darstellen:
Der Sales Funnel ist oben sehr breit. Je weiter sich ein Käufer im Sales Funnel nach unten bewegt, desto enger sein Blickfeld. Erst ganz unten sieht der Käufer nur noch Ihr Produkt und kauft es.
Produktbroschüren sind im unteren Teil des Sales Funnel angesiedelt (Angebote einholen und sich für ein Angebot entscheiden). Produktbroschüren sind daher für Käufer, die schon ziemlich genau wissen, was sie wollen. White Papers können dagegen auch den oberen und mittleren Teil des Sales Funnel abdecken.
Nach dem Phasenschema gibt es drei Themengebiete für White Papers:
Die Abgrenzung der drei Themengebiete ist von grundlegender Bedeutung, weil die drei Themengebiete aus Kundensicht für drei völlig verschiedene Fragenkomplexe stehen.
Beispiel:
Sie sind gerade umgezogen und wollen in der neuen Wohnung das Fernsehprogramm empfangen. Sie haben damit ein Problem erkannt.
Mögliche Lösungsansätze sind Fernsehempfang per Internet, Satellit, Antenne und Kabel, jeweils selber installiert oder durch einen Techniker. Ein Lösungsansatz wie »Fernsehempfang per Satellit, von einem Techniker komplett installiert« ist ein Weg, den Sie zur Lösung des Problems einschlagen können.
Die Auswahl eines Lösungsansatzes ist der Entscheidung für ein bestimmtes Angebot vorgelagert.
Ich werde die drei Themengebiete jetzt etwas genauer beschreiben.
Erstes Themengebiet:
Das Problem erkennen, das mit dem Produkt gelöst werden kann (Phase eins)
Ich verwende hier das Wort »Problem« und nicht das Wort »Bedarf«, weil ein Käufer, der seinen Bedarf spezifizieren kann, in seinem Entscheidungsprozess bereits sehr weit fortgeschritten ist.
White Papers zum Themengebiet »Problemerkenntnis« sind ganz oben im Sales Funnel angesiedelt (siehe Diagramm). Sie werden daher auch als Top-of-Funnel White Papers bezeichnet.
Top-of-Funnel White Papers können
In beiden Fällen soll das White Paper die Leser dazu anregen, sich mit einer für sie wichtigen Frage zu beschäftigen.
Beispiele:
1. Ende der 1990er Jahre war vielen Leuten nicht bewusst, dass die Nutzung des Internets mit Gefahren für das eigene Computersystem verbunden ist. Die Anbieter von Sicherheitslösungen hatten ein großes Interesse daran, ihre potenziellen Kunden für dieses Problem zu sensibilisieren.
2. Sie wollen eine teure Innovation vermarkten, die ein bekanntes Problem wesentlich besser löst als alle bisherigen Produkte. Ihre potenziellen Kunden halten das Problem jedoch für relativ schlecht lösbar, weil sie nur die älteren Produkte kennen. Sie wollen daher erreichen, dass die Leser Ihres White Papers das Problem neu bewerten (ihr Anspruchsniveau erhöhen).
Beide Beispiele zeigen, dass Top-of-Funnel White Papers dazu dienen, Entscheidungsprozesse anzustoßen.
Zweites Themengebiet:
Lösungsansätze für das Problem verstehen und bewerten (Phase zwei, drei)
Lösungsansätze vergleichen heißt, den eigenen Bedarf konkretisieren: Ich habe ein Problem erkannt und muss mir jetzt überlegen, auf welche Weise ich es lösen möchte.
Aus Anbietersicht können hierbei zwei Arten von Fehlern auftreten:
1. Ein Käufer ist nicht mit allen für ihn infrage kommenden Lösungsansätzen vertraut, trifft aber trotzdem eine Kaufentscheidung. In diesem Fall kann der Entscheidungsprozess in die falsche Richtung laufen - weg von Ihrem Angebot.
Beispiel:
Auf der Website www.hornbach.de finden Sie eine Broschüre mit dem Titel »Wände effektvoll gestalten« über das Verputzen und Lasieren von Innenwänden. Die aktuelle Ausgabe hat 20 Seiten und ist zugleich ein Kapitel aus dem Hornbach-Projektbuch.
Es gibt eine ältere Ausgabe mit 48 Seiten, die ich in letzter Zeit nicht mehr auf der Hornbach-Website finden konnte. In der Einleitung zur älteren Ausgabe wird sehr deutlich gesagt, was Hornbach mit der Broschüre erreichen will:
Das White Paper soll den Lesern zeigen, dass sie Innenwände auch selber mit Putz und Lasur gestalten können - ohne Handwerker, mit den bei Hornbach erhältlichen Produkten.
Das für Privatkunden gedachte White Paper behandelt einen alternativen Lösungsansatz, Do it yourself mit Produkten aus dem Baumarkt. Wer diese Arbeiten an einen Handwerksbetrieb vergibt, kauft das Material nicht im Baumarkt.
2. Ein Käufer hat den Eindruck, die verfügbaren Lösungsansätze nicht richtig einschätzen zu können und vertagt daher die Entscheidung. In diesem Fall bleibt der Entscheidungsprozess in Phase zwei oder drei hängen.
Stellen Sie sich vor, Sie wollen teure Produkte an große Unternehmen verkaufen. Derartige Käufer neigen dazu, die Gefahr von Fehlentscheidungen zu minimieren, indem sie die Beschaffung von schwer einzuschätzenden Produkten, wenn machbar, so lange verschieben, bis verlässliche Entscheidungsgrundlagen verfügbar sind.
In einer solchen Situation haben Sie als Marketer die Aufgabe, mit fundierten Informationen bei der Auswahl des passenden Lösungsansatzes zu helfen.
Im Geschäft mit Unternehmen, Behörden und Non-Profit-Organisationen sind die Lösungsansätze (Phase zwei und drei) das bedeutendste Themengebiet für White Papers.
Drittes Themengebiet:
Für den gewählten Lösungsansatz Angebote einholen und miteinander vergleichen (Phase vier, fünf)
White Papers zum dritten Themengebiet geben Hinweise für die Auswahl geeigneter Lieferanten und einen sachgemäßen Angebotsvergleich.
Beispiel:
Das US-Unternehmen Handyman Matters bietet Reparatur-, Installations- und Renovierungsarbeiten für Immobilienbesitzer. Zur Website www.handymanmatters.com gehört ein 16-seitiger »Consumer Guide« mit 21 ausführlich erläuterten Kriterien zum Einholen und Vergleichen von Angeboten unterschiedlicher Handwerksbetriebe. Aus der Broschüre geht hervor, wie sich Handyman Matters nach diesen Kriterien einschätzt.
White Papers zu Phase vier und fünf können auch für das Geschäft mit Unternehmen, Behörden und Non-Profit-Organisationen geeignet sein. Hier kommt es darauf an, über welche Kompetenzen ein typischer Kunde verfügt. Zum Beispiel wird ein Chemieunternehmen, das eine große Fabrikhalle bauen möchte, für dieses Projekt in hohem Maße auf fremdes Know-how angewiesen sein.
Für alle drei Themengebiete gilt:
Die Werbewirkung von White Papers beruht zu einem großen Teil auf dem Prinzip der Gegenseitigkeit (»Eine Hand wäscht die andere«, auch als Reziprozitätsnorm bekannt).
Beispiel:
Sie wollen sich einen Neuwagen kaufen. Weil Ihnen die Anschaffung wichtig ist, haben Sie sich gründlich informiert und bei mehreren Händlern Angebote eingeholt. Sie nehmen drei Angebote in die engere Wahl. Alle drei sind für Sie gleichwertig.
Wo kaufen Sie?
Sie erinnern sich jetzt an Ihre Gespräche im Autohaus B, wo ein Verkäufer besonders viel Zeit für Sie hatte und Ihnen die Verkaufsgespräche am besten gefielen.
Naheliegende Idee:
Sie entscheiden sich für das Angebot von Autohaus B - weil dieses Angebot zur engeren Wahl gehört und Sie sich durch Ihren Zuschlag für die sehr gute Leistung des Verkäufers bedanken können.
Das Prinzip der Gegenseitigkeit wird in unserem Kulturkreis vom weitaus größten Teil der Bevölkerung akzeptiert.
Ein gutes White Paper bietet den Lesern hochwertige Informationen für ihre Kaufentscheidungen, zum Nulltarif. Gegenseitigkeit bedeutet in diesem Zusammenhang, sich bei einem Kauf im Zweifelsfall für das Unternehmen zu entscheiden, von dem das White Paper stammt.
Somit wird ein Leser, der den im Hornbach-White-Paper vorgestellten Lösungsansatz aufgreift, nach dem Prinzip der Gegenseitigkeit dazu tendieren, die hierfür benötigten Produkte bei Hornbach zu kaufen (und nicht bei einer anderen Baumarktkette).
Die Werbewirkung von White Papers hängt nicht davon ab, dass Sie Ihr Angebot direkt oder indirekt als die eindeutig beste Wahl darstellen.
Wegen der Reziprozitätsnorm reicht es bereits, wenn Ihr Angebot in die engere Wahl gehört.
Für die Auswahl von Lösungsansätzen (Phase zwei und drei) gilt das Gleiche.
Das liberale Propaganda-Handbuch, Taschenbuch, 382 Seiten
Einführung in die Statistik-Software R Commander
Business Cases für den Verkauf
Fachliteratur suchen mit Google Scholar, WorldCat etc. pp.
Ghostwriter für Dissertationen, Bachelor- und Masterarbeiten
Wissenschaftliches Ghostwriting
Content-Marketing mit White Papers für Start-up-Unternehmen im B2B-Geschäft
1. White Papers als Werbemittel
2. Fallstudien im Sinne von White Papers
Warum White Papers im B2B-Geschäft häufig wirkungsvoller sind als klassische Werbung
Lead-Management im B2B-Geschäft - warum und wie?
White Papers erstellen - von der Themenwahl bis zum Layout